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BORDERLINE

R: POOL Group (Kenneth Macpherson, Bryher [= Annie Winifred Ellermann], H. D. [= Hilda Doolittle])

Angesiedelt in einem Schweizer Grenzstädtchen der 1920er-Jahre entspinnt sich im Avantgardefilm BORDERLINE ein Eifersuchtsdrama. Die Affäre zwischen Adah, einer schwarzen Frau, und dem verheirateten Weißen, Thorne, sorgt für Aufregung. Vorurteile und Abwertungen der Kleinstadt-BewohnerInnen sind allgegenwärtig. Adah versöhnt sich schließlich wieder mit ihrem Partner Pete, doch Astrid greift aus Eifersucht ihren Ehemann mit einem Messer an. Kurz darauf stirbt sie auf ungeklärte Weise. Für den Tod von Astrid wird Thorne verantwortlich gemacht…
BORDERLINE entstand 1930 als Gemeinschaftsarbeit der POOL Group, deren drei Mitglieder – Kenneth Macpherson, Bryher (mit bürgerlichem Namen Annie Winifred Ellermann) und Hilda Doolittle (besser bekannt als H.D.) – künstlerisch und privat eng miteinander verbunden waren. Auf Grund der darin behandelten Rassen- und Sexualitätsthematik gilt er heute als bahnbrechend. "Der Film leistet eine beispiellose Synthese der formalen Experimente der europäischen Avantgarde und zeigt dabei ein großes politisch-soziales Engagement in Fragen der Gender- und Rassenpolitik." (www.zelluloid.de) "BORDERLINE argued that politics start in interpersonal relations not in defining national canons, and that form offers the most profound challenge to the cultural taboos and constructions that delimit erotic and social relations and their depiction in art." (Sophie Mayer in: Vertigo)

BORDERLINE entstand mit einem geringen Budget in nur zehn Tagen. Es wirken vorwiegend LaiendarstellerInnen mit. Für die Rolle von Pete engagierte die POOL Group den afro-amerikanischen Sänger und Bürgerrechtler Paul Robeson und dessen Frau Eslanda, H.D. verkörpert Astrid. Der Stummfilm kommt mit wenigen Zwischentiteln aus. Die besonders schnelle, damals ungewöhnliche Schnitttechnik sollte die inneren Zustände der Figuren darstellen. "The film concentrates on the inner states of its protagonists, using a technique that H.D. referred to as ‘clatter-montage‘, in which rapid montage combinations create an effect close to superimposition." (Jamie Sexton) Für diese filmische Herangehensweise wurde das Regie-Trio stark von der Filmästhetik G.W. Pabsts und Sergej Eisensteins sowie von der Psychoanalyse beeinflusst.
Die POOL Group wurde 1927 ursprünglich als Filmproduktionsfirma gegründet. Zwischen 1927 und 1933 publizierte sie das legendäre Monatsmagazin "Close-Up: An International Magazine Devoted to Film Art" – eine Zeitschrift, die sich dem Kinofilm als Kunstform widmete. Kurz nach BORDERLINE ließ die Gruppe ein im Bauhaus-Stil entwickeltes Wohn- und Arbeitsatelier am Genfersee erbauen: die Villa Kenwin. Dort lebten und arbeiteten Macpherson, Bryher und H.D. (zwei Ikonen der Genderbewegung) und führten eine bisexuelle Dreiecksbeziehung. Sie pflegten intensive Kontakte zur Avantgarde und kannten Persönlichkeiten wie die Filmemacher G.W. Papst und Eisenstein, sowie die Psychoanalytiker Sigmund Freud und Hanns Sachs.
BORDERLINE, der einzige vollkommen erhaltene und letzte gemeinsame Film der Pool Group, entstand in intensiver Zusammenarbeit aller drei Mitglieder. In der Filmgeschichte wird jedoch die filmische Umsetzung hauptsächlich Kenneth Macpherson zugeschrieben.
(Quellen: http://en.wikipedia.org, http://moicani.over-blog.com, www.allvoices.com, www.zeit.de)

Großbritannien/Schweiz 1930; Regie, Kamera, Schnitt: POOL Group (Kenneth Macpherson, Bryher [= Annie Winifred Ellermann] und H. D. [= Hilda Doolittle]); Produktion: POOL Group; DarstellerInnen: Paul Robeson (Pete), Eslanda Robeson (Adah), H.D. (Astrid), Gavin Arthur (Thorne), u.a.m. (35mm; 1: 1,33; s/w; stumm; 63min) Susanne M. Winterling ist Künstlerin. Sie beschäftigt sich in verschiedenen Projekten mit dem Thema Identität und Individualität im Spannungsfeld der Gesellschaft. Derzeit ist sie Fellow im Künstlerhaus Büchsenhausen. François Bovier lehrt Filmgeschichte an der Universität Lausanne. Seine Dissertation "H. D. et le groupe Pool: des avant-gardes littéraires au cinéma visionnaire" (2009).