JERICHOWR: Christian Petzold Der Gelegenheitsarbeiter Thomas, der türkischstämmige Geschäftsmann Ali und seine Ehefrau Laura – Christian Petzolds (GESPENSTER, YELLA) neuer Film ist eine Dreiecksgeschichte um Geld und Gefühle. Sie spielt in Mecklenburg-Vorpommern, setzt im Frühjahr mit den Bildern einer Beerdigung ein und endet im Hochsommer mit einer Totale: Schwarzer Qualm steigt hinter einer Steilklippe in den Himmel. Dazwischen entspannt sich ein Drama, wie man es aus der Filmgeschichte kennen mag. Eine junge Frau ist mit einem älteren Mann des Geldes wegen verheiratet, ein mittelloser Drifter kommt des Weges, zwischen den beiden beginnt eine Affäre, ein Mordplan wird geschmiedet. Das sommerliche Flirren des Ambientes übersetzt Kameramann Hans Fromm in kühle, kristallklare Bilder, die die Schauplätze organisch in die Personenkonstellationen einbeziehen. All das vor dem Hintergrund eines aktuellen Deutschlands, das kaum einer so einfangen kann wie Petzold. Denn bei ihm hat das natürlich System, dass alle so gefangen sind in ihrem Erwerbs- und Gefühlsalltag. Der Regisseur zieht das zu einem Kammerspiel der Leidenschaften unter freiem Himmel zusammen: Ein beklemmendes Picknick am Ostseestrand, eine Scharade am Waldesrand, ein Showdown an der Steilküste am Meer, das sind manchmal fast Operationen am offenen Herzen wie bei Fassbinder; und dann ist es wieder reiner Petzold, wenn Nina Hoss als Laura verzweifelt den Namen ihres Geliebten in den dunklen Wald hineinruft und man nicht weiß, welcher der beiden Männer sich aus der Finsternis schälen wird.
Diese Geschichte, in der Liebe und Freundschaft auf fatale Weise verraten werden, erinnert nicht von ungefähr an James M. Cains Roman „Wenn der Postmann zweimal klingelt“. Insgeheim erzählt JERICHOW nicht nur von der Schwierigkeit, Figuren heimisch werden zu lassen, sondern auch davon, altgediente Geschichten in der Gegenwart und einer anderen Kultur zu verwurzeln. Und auch hier bestimmen die Besitz- über die Liebesverhältnisse, auch hier treffen sich Thema und Stilwille in der Ökonomie, im Haushalten mit wenigen Elementen, die im lakonischen Erzählgestus Eindeutigkeit gewinnen und ihr Geheimnis nicht verlieren sollen.
(nach: www.taz.de; Viennale-Katalog; www.freitag.de)
„Mit JERICHOW ist Petzold eine faszinierende Fortschreibung seiner Filmografie gelungen, mit unnachahmlichem Blick auf Landschaften vorgetragen, mit knappen Strichen skizzierte Lebenswelt und Arbeitsalltag.“ (Michael Althen) Deutschland 2008; Regie & Buch: Christian Petzold; Kamera: Hans Fromm; Musik: Martin Steyer; DarstellerInnen: Nina Hoss (Laura), Hilmi Sözer (Ali), Benno Fürmann (Thomas), André M. Hennicke (Leon), Claudia Geisler (Administratorin), Marie Gruber (Kassiererin), Knut Berger (Polizist) u.a.; (35mm; 1:1,85; Farbe; Dolby; 93min).
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