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À BOUT DE SOUFFLE

AUSSER ATEM

R: Jean-Luc Godard

1961: Eine Landstrasse außerhalb von Paris – ein gestohlener amerikanischer Sportwagen – Michel (Jean-Paul Belmondo) wird von einer Polizeistreife aufgehalten und erschießt einen Polizisten und flieht. Champs Elysées – Patricia (Jean Seberg) verkauft dort die NEW YORK HERALD TRIBUNE. Dort werden sich die beiden treffen und Michel wird sagen: „Ich will mit dir schlafen, weil du schön bist” – „Bin ich nicht!” – „Dann, weil du hässlich bist.”
Jean-Luc Godard erzählt, und dies tut er nach einem Drehbuch von François Truffaut. Er erzählt mit einer Handkamera und indem er sämtliche Regeln des damaligen Kinos bricht: Schwenks, Bildsprünge („jump-cuts”), Überblendungen, Sprünge über die Filmachse und impulsive Kamerafahrten durch die Straßen von Paris. Hier passiert Kino, eine Unmittelbarkeit und eine Auseinandersetzung mit dem Medium, wie es sie seit den Brüder Lumière. nur selten gegeben hat. Die Kamera bleibt auf den Gesichtern der beiden Protagonisten, schaut ge nau hin, nimmt erneut Anlauf und klebt die aufgenommenen Stücke zu einem Gesamtbild zusammen – ist dabei, wenn sich Michel und Patricia unter der Bettdecke kitzeln und umarmen – ist dabei, wie Michel nach und nach aufgibt, erschossen wird und auf dem Pflaster von einer Kugel getroffen zusammenbricht. (nach: Die Zeit, Reihe Film, Presseheft, Aktion Film Österreich)
„À BOUT DE SOUFFLE ist mir von Jean-Lucs Filmen der Liebste. Er ist der Traurigste. Es ist ein herzzereißender Film. Er ist voll des tiefen Unglücks, er ist, wie Aragon sagt: ‚Tief, tief, tief.’” (François Truffaut)
„Es ist À BOUT DE SOUFFLE, der die Nouvelle Vague einleitet – viele Filme sollten Godards Beispiel folgen. Der Film ist auch heute noch ein Kino-Ereignis. Jean-Luc Godards Filmbilder sind Ikonen des 20. Jahrhunderts, geliebte Bilder, die man sowenig versteht, wie alles, dem man verfallen ist. Sie sind Kult und Kunst, Pop und Politik, ferne Erinnerung und Nahaufnahme, unverschämt erotisch und doch niemals obszön.” (Der Tagesspiegel)
Aber nicht alle Zeitgenossen lobten den Film in derartig hohen Tönen, wie die österreichische Filmschau zeigt:
„Verschmockte Ästheten mögen vielleicht Gefallen finden an der alle Filmgesetze über Bord werfenden Freistilregie des Anfängers Jean-Luc Godard und die Konsequenz bewundern, mit der der weltanschaulichen Anarchie des Drehbuchautors François Truffaut eine formale der Inszenierung angepasst wurde. Wir können nur beklagen, zu welchen Verirrungen der hochbegabte Nachwuchs des französischen Films fähig ist und von dem Schlamm warnen, den die Ausläufer der ‚Neuen Welle‘ nunmehr in unsere Kinos schwemmen wollen” (Filmschau – Organ der Katholischen Filmkommission für Österreich 28.1.1961)

siehe auch:
Di 22.10. 18.15 Uhr LEOKINO
ORF-CLUB 2.0 – AUF DER KIPPE
Filmausschnitte vom ORF-Club 2 1980 und nachfolgende Diskussion 2019 (Live im LEOKINO)


Ein paar Gedanken zu Jean-Paul Belmondo und seiner Zigarette
Kann man sich einen jungen Belmondo überhaupt ohne Zigarette vorstellen? Meine Vorstellungskraft jedenfalls reicht nicht: Die Zigarette und Belmondos Lippen sind eins. Beim Reden rauchen, ja vielleicht noch mit der glimmenden Zigarette im Aschenbecher am Tisch neben sich essen und zwischen den Häppchen hin und wieder gar kurz an der Zigarette ziehen! Rauchen, was das Zeug hält, und nebenbei zum Star werden.
Der Vorzeigefilm der Nouvelle Vague, Jean-Luc Godards Erstling À BOUT DE SOUFFLE, ein Krimi, eine Verführung, eine Liebe. Und da ist noch was! Die Zigarette zwischen den Lippen.
Beim Reden bewegt sich der Glimmstengel lasziv auf und ab. Obwohl ja das Laszive im Sprachgebrauch eigentlich für Frauen reserviert ist, aber die Nonchalance von Belmondo dürfte als nicht weniger verführerisch angekommen sein: gelassen, leicht verkommen, liebenswürdig – statt lasziv im eigentlichen Sinne „unzüchtig, unanständig, schlüpfrig”. Ein männliches Pendant und dazu brauchts schon auch ein gewisses Accessoire: Mundbewegungen beim Sprechen sind erschwert, wenn man nicht will, dass der Stengel aus dem Mund fällt, gar in die Tuchent, was auch nicht sehr professionell wirkt. Also, das Professionelle am Rauchen erkennt man schon daran, dass der Rauchende und gleichzeitig Redende akustisch nicht immer ganz zu verstehen ist, ihm aber niemals die Zigarette zu Boden fällt. Die eng mit den Lippen verbundene und nicht mehr wegzudenkende Zigarette ist das Piercing der jungen Generation in den 1960ern und man musste sich damals nicht einmal ein Ding in die Zunge schrauben lassen: echt lässig! Was trägt noch alles zur speziellen Wirkung bei? Achtung: Handhaltung! Wie geht das: Autofahren und Rauchen? Übung, Übung macht den Meister. Und die wichtigste Frage: Kann man einen echten Raucher bereits von hundert Metern Entfernung als solchen erkennen, obwohl er ausnahmsweise mal keine „Tschick in der Pappn” hat. Am Cowboy-Schritt? Belmondo fragen! Oder ihm zuschauen: Er hat sich in À BOUT DE SOUFFLE extra dafür filmen lassen. (wg)

Frankreich 1959; Regie: Jean-Luc Godard; Buch: François Truffaut; Kamera: Raul Coutard; Musik: Martial Solal; Technische Beratung: Claude Chabrol; DarstellerInnen: Jean-Paul Belmondo (Michel), Jean Seberg (Patricia), Daniel Boulanger, Jean-Pierre Melville u.a.; (35mm; 1:1,33; Schwarzweiß; 90min; französische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


  
Filmplakat