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DIE BLEIERNE ZEIT

R: Margarethe von Trotta

Am 5.9.1977 wurde der Präsident der Deutschen Arbeitgeberverbände, Hans-Martin Schleyer, entführt, um die Freilassung inhaftierter RAF-Mitglieder, darunter die Gründungsmitglieder Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, zu erreichen. Die Ereignisse im September und Oktober 1977 rund um die Entführung von Schleyer gingen als Deutscher Herbst in das kollektive Gedächtnis der BRD ein. Gute zwanzig Jahre bevor das Thema ‚RAF’ bzw. ‚Baader-Meinhof-Gruppe’ vermehrt von Filmemachern aufgegriffen wurde – etwa BAADER von Christopher Roth, BLACK BOX BRD von Andres Veiel oder DIE STILLE NACH DEM SCHUSS von Volker Schlöndorff – wagte Margarethe von Trotta eine sehr subjektive Annäherung: DIE BLEIERNE ZEIT.

„Ich war bei der Beerdigung von Gudrun Ensslin und ich habe mehrere Tage mit ihrer Schwester Christiane verbracht. Sie hat mir ihre Geschichte erzählt. Es waren Bekenntnisse. Erst viel später habe ich gedacht, dass es auch zur deutschen Geschichte gehört. [...] die Begegnung mit Christiane hat mich auf diese Idee gebracht“ so Margarethe von Trotta in einem Interview mit Geneviève Hesse. Christiane Ensslin – feministische Journalistin u. a. für die Zeitschrift ‚Emma’ – gab nach dem Tod von Gudrun Ensslin (Okt. `77) im Hochsicherheitsgefängnis Stuttgart-Stammheim berufliche und private Bindungen auf, um den Beweis zu erbringen, dass der Selbstmord ihrer Schwester Mord war.
Die Hauptfiguren Juliane (Jutta Lampe) und Marianne (Barbara Sukowa) sind zwar an die Biographien der Schwestern Christiane und Gudrun Ensslin angelehnt – das religiöse Elternhaus, geboren im Krieg, aufgewachsen in der Nachkriegszeit, politisches Engagement in der 68er-Bewegung, der gewaltfreie Weg der älteren, die zunehmend radikaler werdende Haltung der jüngeren, usw., – und doch ist es kein dokumentarischer Film über die Schwestern Ensslin. „Ein Zusammenhang zwischen Film und realen Personen besteht nur insoweit, als Personen und Ereignisse der Zeitgeschichte Ausgangspunkt, aber nicht Gegenstand meines Films sind.“ (M. von Trotta in: FAZ 14.8.1981) Gegenstand sind die beiden unterschiedlichen (Re-)Aktionen und Reflexionen zweier Schwestern auf und über die politische Verlogenheit, die kollektive Verdrängung und die falsche Moral der Nachkriegszeit – eben auf die ‚bleierne Zeit’. „In DIE BLEIERNE ZEIT geht es um meine Generation [...]“, so von Trotta – nicht zuletzt um eine Generation, in der Wörter wie ‚Terrorismus’, aber auch ‚Überwachungsstaat’, ‚unmenschliche Haftbedingungen’, ‚Folter’ etc. in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert wurden.
DIE BLEIERNE ZEIT wurde international mehrfach ausgezeichnet. Unter dem Vorsitz des Schriftstellers Italo Calvino stimmte die Jury der Filmfestspiele von Venedig für den in Deutschland zunächst umstrittenen dritten Spielfilm von Margarethe von Trotta. „Worin liegt die Qualität des Films? In dem dichten, außerordentlich intensiven Spiel von Jutta Lampe und Barbara Sukowa, in der Spannung, die zwei unterschiedliche Charaktere mit gemeinsamer Vergangenheit vermitteln, in der psychologischen Begründung menschlichen Handelns. Margarethe von Trotta argumentiert mit Bildern, sie behauptet nicht, sie zeigt. [...] Der Film liefert keine schlüssige Theorie über die Genese terroristischen Handelns, will dies wohl auch nicht, aber er zeigt doch immerhin, dass es der Mühe wert ist, darüber nachzudenken. Der Hauptpreis in Venedig war auch ein Lohn dafür, dass hier ganz gegen den Trend eine Regisseurin ihrer Zeit nicht aus dem Weg gegangen ist.“ (Michael Schwarze in: FAZ 14.9.1981)
Auszeichnungen (Auswahl): Goldener Löwe, FIPRESCI-Preis und Beste Darstellerin (Jutta Lampe und Barbara Sukowa) – Filmfestspiele Venedig 1981, Deutscher Kritikerpreis 1982, DDR-Kritikerpreis 1984, u.a.m.



Margarethe von Trotta (geb. 1942):
Studium der Germanistik und Romanistik, Schauspielschule in München, Theater- und Filmschauspielerin (u.a. mit Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff, Herbert Achternbusch), Mitglied der Europäischen Film Akademie, Regisseurin und Drehbuchautorin


Filmographie (Auswahl):
Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach (1971) – gem. mit V. Schlöndorff, Die verlorene Ehre der Katharina Blum (1975) – gemeinsam mit V. Schlöndorff, Das zweite Erwachen der Christa Klages (1977), Schwestern oder die Balance des Glücks (1979), Heller Wahn (1983), Fürchten und lieben (1988), Die Rückkehr (1990), Rosa Luxemburg (1986), Zeit des Zorns (1993), Das Versprechen (1995), Winterkind (1997), Jahrestage (2000), Die andere Frau (2004)

BRD 1981; Regie & Buch: Margarethe von Trotta; Kamera: Franz Rath; Schnitt: Dagmar Hirtz; Musik: Nicolas Economou; DarstellerInnen: Jutta Lampe (Juliane), Barbara Sukowa (Marianne), Rüdiger Vogler (Wolfgang), Doris Schade (Mutter), Franz Rudnick (Vater), Luc Bondy (Werner), u.a.m.; (35mm; Farbe; 1:1,66; 107min; deutsche ORIGINALFASSUNG)