RISTTUULESRISTTUULES – IN THE CROSSWIND R: Martti Helde „Nach dem Zerfall der Sowjetunion ist die Zahl der Häftlinge in den Strafkolonien kontinuierlich gestiegen und nähert sich heute wieder der Millionengrenze – allein in der Russischen Föderation, die weitaus weniger dicht besiedelt ist als die Sowjetunion zu Zeiten Stalins. Die drakonische Strafmaßnahme, aber auch die hohe Kriminalität spiegeln die starken gesellschaftlichen Spannungen im post-sowjetischen Raum wider und sind zugleich das Vermächtnis einer nicht allzu fernen Vergangenheit, die geprägt war von einer staatlichen Repression, wie es sie noch nie vorher gegeben hatte, und von der Last des beständigsten und extensivsten Zwangsarbeitssystems des 20. Jahrhunderts.” (Nicolas Werth, Gulag. Spuren und Zeugnisse 1929-1956, Weimar 2012, S. 123)
„Die Auflösung der Sowjetunion am Ende des Jahres 1991 geschah vor gerade einmal 25 Jahren. Damit endete ein gesellschaftliches Experiment autoritärer Herrschaft, das 1917 mit der Oktoberrevolution seinen Auftakt gefunden hatte. Zum zentralen Element dieses Experimentes gehörte ein vom System alle gleichermaßen betreffendes wie bewusst kultiviertes Gefühl der Angst. Die Lagererfahrung – Ausdruck und mithin selbst Quelle der Angst – war von Anfang an ein konstitutiver Bestandteil dieses großangelegten Versuchs gesellschaftlicher Neuordnung. Die Erinnerung daran, das Schweigen und Verschweigen des Geschehenen hingegen gehören zur oftmals immer noch drückenden Last des Erbes.
RISTTUULES – IN THE CROSSWIND versucht, dieses weitgehend ungebrochen auf der Gegenwart in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion ebenso still wie beharrlich lastende Schweigen und Verschweigen über Repression, Deportation, Gulag und gezielte Menschenverachtung vor allem unter J. W. Stalin zu durchbrechen und die Erinnerung daran in die Zukunft zu tragen. Die Regie rückt das Schicksal der im Juni 1941 zu tausenden deportierten estnischen Bevölkerung ins Zentrum. Beschuldigt als ‚Nationalisten’, ‚Volksverräter’ oder ‚Spione’ werden Menschen mit Zügen zur Zwangsarbeit und sozialen Disziplinierung in das Innere der Sowjetunion verfrachtet. Die dabei gesetzten Momentaufnahmen nehmen nicht nur das Leid der betroffenen Bevölkerung ins Blickfeld, in ihnen steckt ebenso eine deutliche Anklage gegen neuerliches Vertuschen, Verheimlichen und Relativieren dieser Verbrechen.” (K. Scharr, Universität Innsbruck).
Estland 2014; Regie: Martti Helde; Buch: Martti Helde & Liis Nimik; Kamera: Erik Põllumaa; DarstellerInnen: Laura Peterson (Erna), Tarmo Song (Heldur), Mirt Preegel (Eliide), Ingrid Isotamm (Hermiine), Einar Hillep (Vorsitzender des Kolhkoz Kollektivs) u.a.; (DCP; 1:2,35; Schwarzweiß; 87min; estnische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).
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