MR. HOLMESR: Bill Condon MR. HOLMES pendelt stets zwischen Dekonstruktion und Wiederbelebung des Mythos „Sherlock Holmes”. Der Detektiv ist alt und müde geworden, lebt nicht mehr im belebten London, sondern in seinem selbst gewählten Exil im ruhigen Sussex. Sein scharfer Verstand paart sich nun mit einem lückenreichen Gedächtnis, denn die Demenz entreißt auch ihm Erinnerungen. Und die berühmten Accessoires, Pfeife und Jagdkappe, entpuppen sich in dieser Filmwelt als Produkte der Legendenbildung: Holmes selbst habe sie nie getragen, vielmehr wurden sie ihm angedichtet, nachdem der Assistent Dr. Watson seine Fälle als Prosa in die Welt hinaustrug.
Als filmische Rückblende werden Sherlocks Erinnerungen an seinen letzten Fall lebendig. Die Vergangenheit kehrt allerdings nur stückweise und auch nur dank der tatkräftigen Hilfe des kleinen Roger, Sohn von Holmes’ Haushälterin, zum Meisterdetektiv zurück. Bald erkennt Holmes, dass sein letzter Fall zugleich das traumatische Ereignis war, das ihn damals in den Ruhestand trieb und ihn lehrte, dass Fakten und rationale Erklärungen nicht immer zu richtigen Schlussfolgerungen führen.
Condon blickt hinter die Fassade des Meisters, um allzu Menschliches zu entdecken. Die Rivalität von Mythos und Variation spielt der Film konstant durch. Kenner des Sherlock-Kanons werden mit Verweisen auf ältere Storys belohnt. Nur Kopfschütteln hat der Alte für die Verfilmung seiner Fälle übrig, die er sich in einem der selbstreflexiv angelegten Momente im Kino anschaut. Solche Szenen lassen einen beinahe vergessen, dass Sherlock Holmes doch immer nur das war, was er in diesem Film derart unausstehlich findet: eine fiktionale Figur, ein medialer Mythos, ein Lichtflimmern auf der Leinwand.
(aus: www.filmbulletin.ch) Großbritannien/USA 2015; Regie: Bill Condon; Buch: Mitch Cullin & Arthur Conan Doyle; Kamera: Tobias A. Schliessler; DarstellerInnen: Ian McKellen (Sherlock Holmes), Milo Parker (Roger), Laura Linney (Mrs. Munro), Patrick Kennedy (Thomas Kelmot), Hiroyuki Sanada (Tamiki Umezaki), Roger Allam (Dr. Barrie) u.a.; (DCP; 1:2,35; Farbe; 103min; englische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).
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